Das Adventsgärtlein ist eins der schönsten Rituale, die wir als Eltern gemeinsam mit unseren Kindern im Kindergarten erleben können. Bei der Einstimmung auf die Adventszeit stellt sich die Vorfreude auf Weihnachten ganz von selbst ein.

Das Adventsgärtlein

Fest schmiegt sich die warme Kinderhand in meine. Dunkel ist es im Kindergarten. Die vertrauten Räume wirken so anders, das Kerzenlicht flackert sanft, eine flimmernde Aufregung erfasst die Kinder… Die kleine Hand hält mich fest.

Als die hellen Stimmen erklingen ziehen wir los. Über Sterne, über Sonnen, leise geht Marien Schritt. Hand in Hand in einem langen Zug gehen wir singend in den dunklen Raum, wo in der Mitte eine einzelne Kerze brennt. Es duftet nach Tannengrün, Klaviertöne perlen, in einem großen Kreis findet jeder seinen Platz. Zu unseren Füßen liegt eine große Spirale aus Zweigen, in deren Zentrum neben der Kerze eine Christrose blüht.

Die Blicke ruhen auf dem Licht und heben sich erst später in den Kreis. Die Kleinen, die zum ersten Mal das Adventsgärtlein erleben, schmiegen sich andächtig in den Schoß ihrer Eltern und vergessen die vertrauten Lieder mitzusingen. Die größeren singen laut und kräftig mit. Ich spüre, wie sich ein Lächeln in mir ausbreitet. Weihnachten kommt!

Das Adventsgärtlein macht den Auftakt der Weihnachtszeit im Waldorfkindergarten und ist sicher eins der schönsten Feste, die wir als Eltern mit unseren Kindern hier erleben dürfen. Das hektische Gewimmel der Weihnachtsmärkte, die geballten Termine, Jahresendgeschäft und Schnupfennasen an allen Orten, all das tritt in den Hintergrund bei diesem Ritual. Der sanft erhellte Raum, die getragenen Lieder. Die Kinder, die mal an der Hand ihrer Eltern, mal alleine, sich auf den Weg machen, ihre Kerze zu entzünden und damit das Licht in die Welt tragen, zaubern eine ganz besondere Stimmung.

Das erste Kind nimmt seinen Apfel, in dem eine Kerze steckt, und macht sich auf den Weg in die Mitte der Spirale. Es läuft mit schnellem, festen Schritt. Hochkonzentriert hält es den Docht in die Flamme und verweilt einen Moment, als die Kerze zu brennen anfängt. Die ganze Aufmerksamkeit liegt auf dem kleinen Feuer in seinen Händen. Aber wo führt der Weg wieder hinaus? Ein suchender Blick, ein tastender Fuß, bis das Kind die Richtung gefunden hat und seine brennende Apfelkerze auf der Spirale absetzt. Kurz durchatmen und schnell wieder zurück auf seinen Platz. Mit jedem Kind wird der Raum heller.

Bald zieht mich die kleine warme Hand von meinem Stuhl und wir gehen gemeinsam zwischen den Tannenzweigen der Kerze entgegen. Weiche Tücher dämpfen die Schritte. Wir spüren die Wärme der Flammen, es dauert einen langen Moment, bis unsere Kerze Feuer fängt. Ab jetzt hält sie den Apfel selbst. Sie trägt ihn vorsichtig wie einen Schatz und setzt ihn behutsam auf ein kleines Holzscheibchen. Geschafft! Und dann ist sie wieder da, die kleine warme Hand, fest in meiner. Ein anderes Kind wird von seiner großen Schwester begleitet, fürsorglich zieht sie die Kleine durch die Kreise. Es ist ihr anzusehen, wie gern sie selbst die Kerze entzündet hätte. Sie behält auch souverän den Überblick, als die Kleine den Weg zurück nicht sieht. Und wie strahlt sie, als am Ende doch noch die großen Geschwister die Spirale gehen dürfen.

Ich weiß nicht, wie oft ich diese Spirale schon gegangen bin. Selbst als Kindergarten- und Schulkind, dann nach vielen Jahren Abstand mit meinen Kindern. Wir und ich haben sie jedes Mal anders empfunden. Sie soll ja den Weg in unser Inneres symbolisieren – und sieht es da nicht jedes Mal anders aus? In der Coronazeit, als das Adventsgärtlein ohne uns Eltern stattfand, hat es mir wahrhaftig gefehlt. Umso intensiver war es dieses Jahr, in diese Adventsstimmung einzutauchen, mit den Kindern ein Stück Weihnachtsstimmung zu erleben.

Am Ende brennen alle Kerzen, der Raum ist hell. Diesmal wird keine Geschichte erzählt, wir ziehen gemeinsam aus dem Saal in die dunkle Garderobe. Für einen kurzen Moment ist der Zauber vorbei. Sind das Deine Schuhe? Wo ist die Jacke und hast Du beide Handschuhe? Und dann stehen wir in der kühlen Nachtluft, die brennenden Apfelkerzen in den kleinen warmen Händen.

Und dann ist es zurück: das Lächeln. Die Freude. Weihnachten kommt!