
Blütenreigen im Sonnenglanz – aus Kinderaugen
Ich freue mich auf die Hand, die die Meine halten wird, wenn wir Blumenkinder im Kreise stehen und singen. Ein Lied, das wir fleißig beübten und das Sommerfest seit einigen Wochen einzuläuten vermag. Das für die ausgelassene Leichtigkeit besonderer Sonnenmomente steht und uns einstimmen lässt in den Jubel des Sommers. Ehe die kleine Violine mit unseren Kinderhänden auf ganz lebendige Weise bespielt werden kann, suche ich meinen Freund unter den vielen Familien, die sich im Kindergartenvorhof zusammengefunden haben und einen Kreis bilden. Gespannt warten wir im Schoße unserer Mama’s, Papa’s oder Großeltern auf den gemeinsamen Auftakt und spüren die neugierige Vorfreude, die uns ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Haltgebende Erzieherinnenhände fordern uns freundlich auf, unseren Kinderliederkreis zu bilden und frohlockend einzustimmen. Unsere Kindergartenkindereinheit wird in diesem Kreis durch die individuell gestalteten Blumenhaarkränze so deutlich. Ich taste sacht in mein Haar, spüre mein Kränzchen, welches mir in diesem Moment ein ganz starkes Gefühl von Dazugehörigkeit verleiht.
Manche von uns sind so beeindruckt vom vollen Vorhof, dass sie den Kreistanz gerne von Mama’s Arm aus betrachten und Herrn Spielmanns guten Morgen leise von dort aus mitsingen.
Vorfreudig erwarten wir mittanzende Mama’s und Papa’s, die sich abwechselnd zum „Galopp“ in erstaunlich groß werdendem Kreis formieren und unsere Augen zum Leuchten bringen.
Inmitten dieser fröhlich-harmonischen Stimmung warten wir gespannt ab, wann wir beim nächsten Tanzlied ausgewählt werden, die Schlange immer länger wird und der Chor immer lauter ertönt, ehe wir danach als verbundene Einheit in den Garten einziehen dürfen.
Was uns dort erwarten wird? Ich erinnere mich noch vage an letztes Jahr und all die besonderen Stationen, die so liebevoll natürlich ausgestaltet wurden und uns einluden in eine Welt, deren magische Momente ich nicht zu vergessen vermag.
Ebenso freudig wie wir die verschiedenen Spielbereiche gleich erkunden werden, tasten wir uns langsam an das familienbefüllte Buffett vor, um uns mit den unterschiedlich nahrhaften (Süß-)Speisen zu stärken und den großen Durst zu stillen.
Mein lieb gewonnener Garten ist so feierlich geschmückt und einladend verziert, dass ich ehrfürchtig dastehe und die Atmosphäre beeindruckt in mich aufsauge – ehe ich mein Stückchen Kuchen genieße und sacken lasse, was ich schon erleben durfte.
Habe ich da eben meinen Namen rufen hören? Von woher ertönt er? Ist etwa schon Zeit für das Theater? Ich kann es kaum erwarten, doch habe ich die Glocke noch nicht gehört. Ein ritualisiertes Geräusch, das uns Kindern signalisiert, wann eine neue Phase eingeläutet wird und unser Körperleib sich auf eine Episode geistigen Erlebens einstellen kann.
Über die Enttäuschung, noch nicht mit der ersten Gruppe mitziehen zu dürfen, tröstet mich ein Stückchen Ton, das ich im Pavillon bearbeiten darf, hinweg. Hingebungsvoll gebe ich mich dem Bekneten und Bewässern des grauen Erdklumpens hin, der in meinen Händen in ganz unterschiedlicher Intensität geformt wird. Wenn ich es fertiggestellt habe, darf ich es mit auf den Tisch zu den anderen Kunstwerken legen – ein wohlig stolzes Gefühl umschmeichelt mich und lässt mich das Außen ganz vergessen. In Verbundenheit mit Mutter Erde spüre ich, wie ich ganz konzentriert bei mir sein kann.
Danke für diese schöne Idee, höre ich meine Mama zur Erzieherin sagen und spüre diese Dankbarkeit, aus welcher heraus ich euphorisch zur nächsten Station renne. Aufgeregt warten wir bei der Station „Autofahren“, was sich wohl hinter dem Vorhang versteckt und gleich von uns herangezogen werden darf. Ich würde so gerne sofort das Schnurstäbchen in die Hand nehmen und doch fiebere ich mit dem Kind, das sich gerade so anstrengt, mit. Die Trockenheit dieses Sommertages kommt beim fahrenden Holzauto besonders zur Geltung. Glücklich darüber, im Schatten der Bäume und Schirme sitzen zu dürfen, riecht man ein wenig Sandstaub, der durch die hin- und herfahrenden Gefährte aufgewedelt wird.
Wofür wird dieses Säckchen sein? Ich erinnere mich, dass wir im letzten Jahr darin einen Murmelschatz beherbergen durften und merke, wie eine Sammelvorfreude in mir aufsteigt.
Natürlich wurde ein besonders liebevoll verzierter Sandhügel gebaut, aus welchem wir kleine Edelsteinchen suchen dürfen. Meine positive Erwartung wird erfüllt und ich kann mich erleichtert durchatmend dem Sieben hingeben, bis ein nächstes Schatzsuchkind an der Reihe sein wird.
Und da, nun ertönt sie, die Glocke für meine Gruppe, die auch mich mit meinem Papa dazu einlädt, dem Marionettentheater beizuwohnen. Wir ziehen, angeführt von unserer Gruppenleiterin, in den Eurythmiesaal ein und begeben uns auf die Sitzplätze, ganz gespannt, welche Puppen gleich hinter dem Vorhang zu erkennen sein werden. Still und gebannt lauschen wir dem Fingerhütchen. Ein magisch konzentrierter Elfenzauber erfüllt den Saal, in dem die Klänge des Harfenliedes ertönen und das Puppenspiel begleiten. Dann steige ich wieder ein in den Eurythmiezug, der gemeinsam gen Garten zieht.
Welch ein Glück, dass das Fest weiterhin in vollem Gange zu sein scheint und ich mich mit meinem Freund ein wenig auf den Berg zurückziehen kann. Ausgelassen und wie beseelt können wir dem Festklang lauschen und uns etwas abseits, dem Rutschen und Klettern hingeben. Der mir so vertraute Ort in wundervoller Stimmung, verleiht mir ein Gefühl ausgelassener Freude, welche ich im Spiel mit meinem Freund unmittelbar zum Ausdruck bringen kann.
Um mich dem unbedarften Spiel mit meinem Freund noch ein wenig länger hingeben zu können, verzichte ich für heute darauf, den eigens für das Fest gestalteten Barfußpfad zu erkunden. Ein schattiges Plätzchen sorgt für genau die richtige Atmosphäre, um dem Sinneserleben der Füße Raum geben zu können; soviel bekomme ich dennoch mit.
Noch nicht ans Ende denkend, beobachte ich, wie sich die Familien zusammentun und den Garten allmählich verlassen. Ich werde gerufen, bemerke meinen Durst und gehe ein wenig schwermütig mit meiner Familie in den Vorhof, in welchem sich bereits Viele zum Abschiedslied eingefunden haben. Da bemerke ich, wie mein Blumenkranz verrutscht ist und summe – ein wenig erschöpft – mit.
Ein selbst gebackenes Kekslein bekomme ich am Tor gerade zur rechten Zeit überreicht; mein Magen fühlt sich ganz leer an und erfreut sich an dieser kleinen Stärkung, die das Fest in seiner Vollkommenheit abrundet.
Die Kunst selbst ist aber doch im Leben tief verankert. -Rudolf Steiner.